Oder: wie alles begann.
„Ein Blog!“, denke ich, als ich die Limobar betrete. „Ein Blog!“, denke ich auch, als ich mich Suza gegenüber an den Tisch setze und sie anlächle. Sie lächelt zurück und fragt frech, wissbegierig: „Was?“ – „Ein Blog!“, sage ich und hole meinen kleinen Notizblock heraus. Auf den schreibe ich: „Blog!“ „Was meinst du damit?“, fragt mich mein Gegenüber, während mir Hubert, der Wirt, ganz unaufgefordert mein Standardgetränk vor die Nase stellt. Ich nicke dankend und verrate Suza meine geniale, neue Idee:
„Suza, ich werde einen Blog schreiben! Man muss ja seinen Beitrag leisten! Und ich werde ihn beginnen mit den Worten: Mein Name ist Mone und dies ist mein Blog!“ – „Du heißt nicht Mone!“, sagt Suza. – „Ja und? Wenn da jemand ’nen Kommentar hinterlässt, heißt er ja auch nicht Fuchurfutz66 … oder so. Das ist ja kein Name. Fuchurfutz Schmidt. … Wobei: Menschen haben einen komischen Hang dazu, sich in der Anonymität des Internets eine Existenzberechtigung durch Wahrheiten zu verschaffen. Ich verwette meinen Hintern, dass Fuchurfutz im Jahr 1966 geboren wurde.“ Suza sieht mich schräg an. Dabei spielt sie nervös mit ein paar Bierdeckeln, was mich etwas stört, aber immer noch besser ist, als alle zehn Minuten aufzustehen, um draußen eine zu rauchen. Dann spricht sie: „Also … hm, meinetwegen: „Mone“! Und wer bitte sollte deinen Blog denn lesen wollen?“ Fragend hebe ich ob dieser Äußerung meine Arme fordernd auf Schulterhöhe: „Na, jeder, der will! Menschen lesen doch. Noch. Bücher und Hinweise auf Mikrowellen oder Straßenschilder. Sie wollen unterhalten und informiert werden!“ – „Und sie interessieren sich für deinen Quatsch?“ Suza ist nicht überzeugt. Ich versuche zu erklären: „Vielleicht ist meine Sicht der Dinge gar nicht mal so unspannend? Ok, vielleicht nicht so aufregend wie die Anleitung für eine neue Kamasutra-Figur, aber ich habe doch was zu sagen?!“ Suza seufzt. „Origami, „Mone“, Origami! Hör auf diese Begriffe zu verwechseln, es wird dich noch einmal in Schwierigkeiten bringen.“ – „Ja, Origami ist auch aufregend,“ antworte ich gedankenversunken und fahre fort: „Was soll denn schon passieren, wenn ich einen Blog schreibe? Das kann und tut doch jeder Honk mittlerweile!“ Suza nickt gequält: „Eben. Aber, naja, platzen wird das Internet deswegen wohl auch nicht. Du machst ja eh, was du willst.“ Wir schweigen eine Weile, während ich schon mal die Oberfläche der Webseite in buntesten Farben visualisiere. Meine Freundin Suza unterbricht diese Bilder durch ihre ausgesprochenen Gedanken: „Du weißt aber schon, dass du dich dann mit Widgets und Plugins beschäftigen musst!?“ Ich höre nur am Rande, was Suza sagt und kichere leise. „Nein!“, schreit mich meine Freundin an: „Das sind keine Hexen mit Stöpseln in den Ohren!“ Ich erschrecke und das Bild vor meinem inneren Auge von einer Hexe mit Stöpseln in den Ohren, die selig und ungestört auf ihrem Besen reitet, zerplatzt wie eine Seifenblase. Ui, Suza kennt mich zu gut. Ich lächle und entschuldige mich still lächelnd. „Gut,“ sagt sie, „beschäftige dich halt mal mit was, wovon du überhaupt keine Ahnung hast. Dann kannst du in deinem Blog Tipps für alle geben, die denken, dass sie sich auf was einlassen müssen, wovon sie keine Ahnung haben. So wie der Fernfahrer auf die Gastronomie!“ Jetzt gucke ich Suza sehr böse an und mich schnell um. Zum Glück hat Hubert das nicht gehört. Suza kann man nirgendwohin mitnehmen und ich beschließe, sie mit einem unschlagbaren Argument von meiner Idee zu überzeugen, bevor Hubert uns wohlmöglich noch raus schmeißt und aufgrund mangelnder Umsatzzahlen wieder fernfahren muss: „Guck mal, wenn ich einen Blog schreibe, muss ich dich hier nicht mehr mit dem ganzen Mist zulabern, der mir so tagtäglich durch den Kopf geht, sondern sitze praktisch mit meinen Followern an der Theke!“ Jetzt lächle ich unverfroren und Suza verdreht sie Augen. Sie weiß, dass sie trotzdem nicht drum herumkommen wird, scheint aber dennoch ein wenig Hoffnung zu haben, dass es besser werden könnte. „Na gut,“ sagt sie, „vielleicht wollte die Menschheit ja immer schon einmal wissen, was Frauen so in der Kneipe labern, wenn sie sich ungestört fühlen.“
„Siehste!“, sage ich und Hubert sieht, dass unsere Gläser leer sind und schreit herüber: „Mädels?! Jetzt ’nen Doppelten?“ Wir rufen wie aus einem Munde zurück: „Nein danke, Hubert! So schlimm ist es noch nicht!“